Geschichte des modernen Industrie-Designs: Von Arts & Craft zum Jugendstil, Art déco und Bauhaus

Der Künstler Erwin Plönes,
(https://kunstverlag-fink.de/titel/kunsttechniken-aufgezeigt-am-beispiel-des-werkes-von-erwin-ploenes/), von dem viele der Designs aus diesem Shop stammen - zum Beispiel für die Seidenschals, die Leinwanddrucke oder die Kindertassen - war sicher kein Designer. Aber seine abstrakten oder zum Teil auch figurativen Zeichnungen eignen sich wunderbar als Motive für Gebrauchskunst. Das zeigt wiederum, dass Kunst, angewandte Kunst und Kunsttechniken bzw. Kunsthandwerk durchaus nicht immer separat betrachtet werden müssen, eine alte Faustregel des Bauhauses und der darauf fußenden Kunstschulen wie der Kölner Werkschulen, an der der Künstler ja selbst lernte.

Im nachfolgenden Artikel können Sie sich einen Überblick über die Entwicklung des modernen Produktdesigns verschaffen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Lesespass.

Das moderne Produktdesign entwickelte sich im Zuge der industriellen Fertigung von Produkten im Laufe des 19 Jh. Bei der Herstellung von industriell gefertigten Produkten spielten Form und Funktion, also das Produktdesign, eine zunehmend größere Rolle. Gefragt waren zu dieser Zeit Produkte mit reicher Ornamentik. Dabei griffen die Gestalter auf historische Vorbilder zurück und entlehnten Ornamente aus verschiedenen Kunstepochen (Historismus). Die damit erzeugte Ästhetik zeigte sich auf der ersten Weltausstellung 1851 im Hyde Park in London. Sie führte zu Kritik und Gegenbewegungen.


Arts & Craft-Bewegung

Diese aus Großbritannien ausgehende Reformbewegung strebte in Zeiten der Industrialisierung nach einer Rückbesinnung auf das Handwerk. Sie stellte der Industrialisierung die selbstbestimmte Arbeitsweise des mittelalterlichen Handwerkers anstelle der rein auf wirtschaftlichen Überlegungen fußenden Arbeitsteilung im Rahmen der Massenproduktion entgegen und lehnte die industrielle Fertigung ab.

Die zentralen Vordenker dieser Richtung waren John Ruskin und

William Morris. In Glasgow wirkte Charles Rennie Mackintosh, der sich auch einen Namen als Jugendstil-Künstler machte.Die Arts & Craft-Bewegung beeinflusste die nachfolgenden Strömungen wie Jugendstil, Wiener Sezession und Werkstätten, den Deutschen Werkbund und das Bauhaus. Im Fokus stand das Kunsthandwerk.

Der zu dieser Zeit lebende Christopher Dresser, ebenfalls aus Schottland (1834 – 1904 Mühlhausen) gehörte zwar nicht zur Arts-and-Crafts-Bewegung: Die Arts-and-Crafts-Bewegung lehnte nämlich die industrielle Massenproduktion ab, während Dresser als erster moderner Industriedesigner die Vorteile der modernen Produktionstechniken nutzte, um Design für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Er gilt als Pionier des modernen Produktdesigns.

 

Der Jugendstil 1900 – 1914

Der Jugendstil als künstlerische Epoche und ‚neuer Stil‘ manifestierte sich in verschiedenen Ländern auf unterschiedliche Weise. Ausgehend von Belgien eroberte die Bewegung andere Länder und Städte wie Paris, Barcelona, Weimar, Darmstadt und führte dort zu jeweils landestypischen Ausformungen. In Belgien zum Beispiel überwiegen florale Elemente, wie man noch heute an zahlreichen Jugendstilhäusern von namhaften Architekten wie Victor Horta erkennen kann. Sein Kollege Paul Hankar wiederum verwandte auch geometrische Formen. Diese Ausprägung findet man auch in Wien.


 
Foto: Jugendstilhaus „van Eetvelde“ von Victor Horta, Brüssel (1895-1898)

Einig war man sich darin, dem ‚alten Stil‘ eine Absage zu erteilen. Auch wesentliche Stilelemente haben sich über die Landesgrenzen hinweg durchgesetzt wie Bleiglasfenster, Sgraffito, Mosaikböden, viel Licht, Wintergärten. Verbreitet war auch die Forderung nach einer Verknüpfung von „Kunst und Leben“ und damit die Integration von Kunst in den Alltag. Produktgestalter adaptierten neue Ornamente, die man der Natur entlehnte, auf Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen. Der belgische Künstler Henry van de Velde zum Beispiel schafft mit seinen Gebäuden in Belgien oder Deutschland wie der „Villa Esche“ in Chemnitz (1902/03) oder „Hohe Pappeln“ in Weimar (1907/08) Gesamtkunstwerke: von ihm stammt nicht nur die Architektur, sondern die gesamte Innen-Ausstattung.Eine Ausstellung in München zum Jugendstil dort zeigte, wie sich der als Maler ausgebildete Künstler Richard Riemerschmid mit seinen Entwürfen von Möbeln und anderer Gebrauchskunst wie Geschirr vom Historismus befreit und sich dem Jugendstil annähert, wobei er gleichzeitig die Ornamentik reduziert. Während dieser Epoche griff man sowohl auf das Handwerk, als auch auf industrielle Produktionsverfahren zurück.

Weitere Kennzeichen:

Dekor: stilisierte Pflanzenornamente auf Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen, Anleihen aus der Natur, man spricht von der ‚belgischen Linie‘

Architektur: große Räume mit viel Licht, ermöglicht durch den Einsatz von neuen Materialien wie Stahl.

Gesamtkunstwerk: Architektur, Inneneinrichtung und Gebrauchsgegenstände unterliegen einem übergeordneten gestalterischen Ansatz. Dabei greift man auf bestimmte Gestaltungstechniken zurück: Bleiglasfenster, Mosaikböden, Sgraffito für Innen- und Außenwände.


Der Jungendstil in Österreich: die Wiener Sezession und die Wiener Werkstätte

Die seit 1895 bekannte Wiener Sezession war eine Bewegung von Wiener bildenden Künstlern wie Joseph Olbrich, die sich für eine Erneuerung der Kunst einsetzen. Dabei gehören Bildende Kunst, Kunsthandwerk und Handwerk zusammen ohne Hierarchie, Wie schon bei Arts and Crafts wendet man sich von der industriellen Fertigung ab, stellt die handwerkliche Produktion in den Mittelpunkt und schafft eine neue Ästhetik der Gebrauchskunst: Möbel, Glas, Porzellan, Besteck, Textilien, Schmuck…

Eine zentrale Rolle spielte Josef Hoffmann. Er gründet 1903 die Wiener Werkstätte (also viel früher als Bauhaus und es war keine Schule, sondern Produktionsstätte). Sein Ziel war es, den Alltag seiner Auftraggeber zu verschönern. Er kreiert Gesamtkunstwerke wie auch schon der belgische Künstler van der Velde: Harmonische Ensembles aus Architektur und Innen-Ausstattung. Dieses von Künstlern geleitetes Unternehmen fertigte sowohl Produkte in den eigenen Werkstätten, bediente sich aber auch externer Zulieferer, die nach Designs der Wiener Werkstätte produzierten.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 kommt die Bewegung zum Stillstand. Der Rückgriff auf das Handwerk und eine neue Ornamentik entsprach letzten Endes nur den Zielen der wohlhabenden Bevölkerungsgruppen, für die meisten Menschen waren die Produkte und Häuser schlicht zu teuer.

Einflussreicher Kritiker am Ornament wird der Architekt und Kulturpublizist Adolf Loos mit seiner Publikation „Ornament und Verbrechen“. Er spricht von einer „Ornament Seuche“ und verweist auf den Jugendstil. Bei seiner Ablehnung führt er soziale, ökonomische und ökologische Argumente an. Ähnlich äußert sich auch Hermann Muthesius. Deutschland müsse auf den Weltmärkten wettbewerbsfähiger werden durch eine Neugestaltung seiner Produkte. Diese müssten nutzungsfreundlicher, nachhaltiger und visuell attraktiver werden.


Foto: Joseph Olbrich, 1897-1898, gebaut für die Künstlervereinigung der Wiener Secession, Wien.


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